Die ESH nahm als "Posterdozent" bei dem 3. Autismus-Kongress Frankfurt 2012 (in Kooperation mit dem Niederländischen „Nationaal Autisme Kongress – Rotterdam“ und dem „Internationalen Symposium zur Intervention bei autistischen Störungen“) teil und erntete dabei wohlwollende bis skeptisch-kontroverse Reaktionen.
Autisten, die an Kongressen wegen gesundheitsschädigender Rahmenbedingungen nicht teilnehmen wollen oder können, stellte diese "Posterpräsentation" eine wenn auch bescheidene aber doch kleine barrierefreie Möglichkeit dar, zur Sprache zu kommen. Diese fand in unmittelbarer Nähe des Caterings statt, so dass die Teilnehmer des Symposiums bei einer Tasse Kaffee lesen konnten oder nach den Mahlzeiten mit den Posterdozenten Kontakt aufnehmen konnten. Im Gegenzug konnten Posterdozenten unmittelbar Kontakt aufnehmen, um in der kurzen verbleibenden Zeit während des Programms Neugier auf die eigenen Aussagen zu lenken oder für Fragen und Diskussionen zur Verfügung zu stehen.
Wir präsentierten grundlegende politische Forderungen, verteilten die Kontaktdaten der ESH und nahmen an den zwei Workshops „Aktueller Stand der medikamentösen Therapie bei autistischen Störungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter“ und „Pädagogische Unterstützung und Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit hochfunktionalen autistischen Störungen in der Schule“ teil.
Der erste Workshop stellte Studien zur medikamentösen Therapie vor und wies darauf hin, dass ein Teil dieser Studien an einem geringen Teilnehmerkreis (z.B. 10 Personen) entstanden und deshalb zur Heranziehung fragwürdig seien. Eine teilnehmende Ärztin meinte, dass Studien an Kindern kaum vorhanden seien und empfahl aus ihrer persönlichen Sicht, sich vor einer beabsichtigten Medikamentierung sehr auf das individuelle Kind einzulassen und nicht z.B. bereits bei "stereotypem Verhalten" Medikamente zu geben. Zu den gewonnenen Erfahrungen der Rücklaufe aus dem Elternhaus, aus den Schulen und klinischer Begleitung appellierte der Vertreter der ESH, ganz dringend auch bei erwachsenen Autisten nachzufragen, was Medikamentengabe in der Kindheit bei ihnen angerichtet bzw. zerstört hat.
Die anwesenden Ärzte fragten nach Richtwerten und hielten aus ihrer Praxis fest, dass generelle Empfehlungen nicht immer übertragbar wären insbesondere auf junge Patienten. Es kam auch die kritische Frage zur Sprache, wie Studien zu bewerten sind, die durch die Medizinindustrie gesponsert wurden. Dazu wurde geäußert, dass Studien heute angemeldet werden müssen, damit sie bei für die Unternehmen ungünstigen Verläufen nicht unveröffentlicht bleiben.
Aus dem Kreis der Teilnehmer wurde empfohlen, eine Informations- und Erfahrungsbörse zum Austausch von Daten zu begründen. Der Vertreter der ESH erinnerte daran, dass Autisten ihre Erfahrungen in diese Börse einbringen können müssen, weil das innere Erleben und die Auswirkungen von Therapien jedweder Art, etc. von "Fachpersonen" kaum gewusst werden.
Am Nachmittag präsentierte der zweite Worksshop ein sonderpädagogisches Konzept im Rahmen der Schulform „Schule für Kranke“. Es wurde von den Teilnehmern als wohltuend empfunden, wie einfühlsam von beiden Lehrerinnen auf das autistische Kind eingegangen würde, in dem mit ihm gemeinsam auf Augenhöhe ermittelt würde, wie es Schule für sich selbst organisieren lernt. Bemerkenswert positiv wirkte bei der Fähigkeit, sogenannte Schwächen der Kinder gegen Stärken aufzuwiegen und mit ihnen auf dieser Basis zur Freude am Lernen zurück zu kehren. Allerdings wurde die Ansicht vertreten, wenn ein autistisches Kind eine Auszeit anfrage, über diese Grenze hinaus mit ihm zu versuchen, es am Unterricht zu halten, um Ausdauer zu trainieren. Dieser Konzeption über die Grenzsetzung des Kindes hinweg widersprach der Vertreter der ESH vehement.
Es wurde kurz die Meinung diskutiert, dass Kindern in die Hände gegeben werden könnte, den Pädagogen zu instrumentalisieren, was aber von der Mehrheit der Anwesenden nicht geteilt wurde.
Die von den Vortragenden angesprochenen Arten von Beschulung wurden von der ESH dahingehend ergänzt, dass Onlinebeschulung eine weitere Möglichkeit darstellt, einem Schüler ein flexibles System anzubieten, um Beschulung gesundheitlich vertretbar zu erleben. Die Erfahrungen der Dozentinnen nach eingehenden Informationen von Eltern und Lehrkörper waren überwiegend positiv, so dass ein Denkwandel hinsichtlich des Einlassens auf einen andersartigen Schüler zu bewirken war.
Für Jugendliche, die auf den Integrationshelfer verzichten wollen, seien noch dortigem Stand derzeit keine Alternativen in Sicht.
Von der ESH wurde die Problematik von Interessenkonflikten von Förderschullehrern, die gleichzeitig Autismusberater sind, hinsichtlich der Befürwortung von Beschulung von Autisten an Regelschulen angesprochen und ebenso nachgefragt, ob es für vermeintlich unbeschulbare Autisten eine Alternative gibt zur Auswanderung der Familien mit autistischen Kindern in Staaten ohne Schulpflicht. Eine Alternative wurde derzeit nicht gesehen.
Die Literaturempfehlungen präferierten Informations- und Arbeitsmaterialien von Elternverbänden und -vereinen, ABA, TEACCH mit Schwerpunkt Asperger Autismus. Auf Wunsch können sie Lesewilligen zur Verfügung gestellt werden. In den Internetempfehlungen der Kongressverantwortlichen wurde die Enthinderungsselbsthilfe von Autisten für Autisten – ESH mit ihrem Angebot nicht angegeben.
Nach Meinung eines Teilnehmers präsentierte sich die ESH als „Paradiesvogel“ in Thematik und Veranstaltungsszene, nach Meinung von autistischen Teilnehmern des Kongresses gehörte sie unbedingt dort hin.