Achtung Achtung!

Die ESH hat nun eine neue eigene Plattform (abrufbar im Menü unter "Enthinderung"). Auf absehbare Zeit wird jene Plattform aktueller gestaltet sein als diese hier.

Ein Erfahrungsbericht - Mutter (Langfassung)

kinder sind eine bereicherung fürs leben. wer sich für kinder entscheidet, der tut das bewusst, weil er kinder möchte.
das leben ist keine pralinenschachtel und manchmal kommt es anders als man denkt.
dann trifft also dieses gewünschte kind auf dieser erde ein und nach relativ kurzer zeit schon merkt man, dass das eigene kind anders ist.
verglichen wird von anfang an. für alles gibt es normen. fürs gewicht, für den kopfumfang und für was noch alles. und wo es keine normen gibt, da schaffen wir uns dann eben eigene. da wird sich im bekanntenkreis ausgetauscht, es geht ums durchschlafen, um den passenden zeitpunkt der ersten und dann später auch noch der zweiten zähne, um den haarwuchs, drehen, wenden, robben, laufen und sprechen. freundliches offenes kind, ängstliches, abweisendes kind. für alles gibt es normen und was nicht passt, wird passend gemacht.

erst recht, wenn der verdacht im raum steht, da könnte was nicht stimmen.
da wird auf teufel komm raus nach fehlern und gründen gesucht, warum es so ist, wie es ist. da wird auf biegen und brechen angefangen zu therapieren, auch wenn nicht so genau gewusst wird, warum genau therapiert wird, weil zwar das kind einen namen hat, aber noch im verborgenen liegt, warum da therapiert wird... denn... es kann dem kind nur gut tun und helfen. schließlich müssen und sollen wir ja alle mal gut funktionieren und nicht dauernd anecken, oder?

im kindergarten geht's dann weiter mit den normen und dem vergleichen und das zieht sich dann wie ein roter faden durch die gesamte schulzeit.
während eines wechsels der schulform passiert es dann... kind ist nicht mehr in der lage die schule zu besuchen. also kommt es nach langer wartezeit in eine psychiatrische einrichtung und nun geht die suche erst richtig los, es wird freudig getestet was das zeug hält, es wird nun noch mehr verglichen und die normen, in die es zu passen hat, die dürfen wir aber nicht aus den augen verlieren. auf gar keinen fall. dann wird mit zielstrebigkeit eine diagnose gestellt und als das muttertier sich traut da mal schräg von der seite nachzufragen ob das dann so stimmen kann, ob sich die fachwelt denn da sicher ist... da antwortet die göttin in weiß... ich fachfrau, du muttertier. klappe halten. tabletten geben, sanften oder auch starken druck ausüben... und los... weiter geht's.

na also... mit der tablette und dem druck im rücken geht's. klappt ne zeitlang bis dann mal wieder nichts mehr geht. boah... nun müssen wir aber mal stationär gehen. ambulant wird das nichts. dann geht's schnell mit dem absetzen der pille und dann ist es was ganz anderes. was? ganz einfach. das muttertier. es ist zu stark und zu präsent, zu blöd zum erziehen und das kind ist einfach zu störrisch. das geht nicht zusammen. das kann's geben. das passiert. und nun? dann muss das kind eben für ne weile von der mutter weg. und dann wird der druck noch größer der da aufgebaut wird. das wiegt schwer und wie ein großer, allzeit präsenter teufel sitzt einem die schulpflicht und die weiße götterwelt im nacken und die amtlichen für die jugend. das muttertier traut sich zu fragen... seid ihr euch da sicher? gibt es keinen anderen weg? nein, es gibt keinen anderen weg. klappe halten... koffer packen, kind abliefern in ne fremdunterbringung, muttertier geh wieder arbeiten, da bist du verräumt und hast nicht so viel zeit uns hier zu stören und... weiter geht's.

und siehe da. man staunt. wieder ging es ein paar jahre, bis dann nochmal der punkt erreicht wurde, wo das kind dann wirklich nicht mehr konnte. wo es nichts mehr konnte.
das muttertier dann wieder auf der suche nach hilfe. der 18. geburtstag lag dann nicht mehr weit. geschichte erzählt... und nun riss sich keiner mehr ein bein aus um zu helfen.
bis das kind dann nochmal stationär kommt und da sitzen endlich mal menschen, die zuhören. die nachfragen. die anders hinschauen und nach relativ kurzer zeit sagen sie... mit deinem kind ist alles in ordnung. dein kind ist autist. das ist kein weltuntergang und das muttertier ist ein tapferes frauchen, dass den weg ganz sicher auch alleine findet. es gibt was in der nähe... da könnt ihr hin und ein was gibt es weiter weg... da könnt ihr auch hin.

das weiter weg kommt fürs kind nicht in frage... keinen bock mehr auf die fachwelt und keinen bock mehr auf irgendwelche therapien die viel versprechen und nichts halten.
also hin zu dem was näher dran ist. oh... bestürzung allenthalben, mitfühlende worte. powerparolen... und doch das schicken zur vertiefung des schauens. also nochmal los. kind bleibt autist. mit einem berg an papieren und der aussage, dass es wohl schwer sein wird, jemanden zu finden, der mit dem kind arbeitet, weil sich kaum einer zutraut mit autisten zu arbeiten, stehen wir dann vor der tür. alles gute... ja, danke, klar.
und nun? surfen im internet. bücherei. amazon. lesen, lesen, lesen. schreiben. fragen. antworten. merken... das ist es nicht. für mich ist es das nicht. vorträge besuchen. kontakt zum autismuszentrum halten und immer wieder die grenze spüren und fühlen... da gibt's mehr, muttertier... du hast es nur noch nicht gefunden!

der weg autistischen kindern zu helfen, der kann in meinen augen, mit meiner heutigen sicht und mit all diesen erfahrungen die ich in langen und schweren jahren sammlen konnte... der weg kann nur über euch und mit euch beschritten werden.
da mögen die fachleute noch so viele bücher lesen... es wird ihnen immer an etwas fehlen, das nur ihr haben könnt und das auch nur ihr habt. ihr wisst genau wie das ist. ihr müsst da nicht lange herumfragen und interpretieren, eurer blick ist um vieles klarer und tiefer und... das schätz ich auch sehr... ihr seid klar und offen... direkt. da ist ein wort ein wort und kein sinnloses nur zeitfüllendes geschwätz.
hilfe... also wirkliche hilfe hab ich erst bei euch, mit euch und durch euch gefunden.

eines weiß ich dann heute schon ganz sicher... mein kind soll ein eigenständiges, ein selbstständiges leben führen, ich weiß dass das möglich ist und auch dieser weg geht nur mit euch. nicht mit anderen mit euch. weil ihr einfach wisst worauf es ankommt.
weil nur autisten wirklich wissen können, wie autisten fühlen und denken.
andere können das doch gar nicht leisten.
ich geh ja auch nicht zum friseur, wenn mir der zahn weh tut.
also dann... lieber von autisten für autisten und das möglichst bevor andere schon zuviel verbogen haben.