Barrierefreiheit

Barrierefreiheit

Beitragvon Andreas K. am Dienstag 28. Juli 2009, 01:23

Was versteht ihr unter Barrierefreiheit?

Nicht nur in Kreisen autistischer Selbstenthinderung, sondern allgemein in der Behindertenbewegung hat dieser Begriff eine Schlüsselfunktion.
Mobilitätsbehinderte meinen damit zumeist, daß öffentliche Orte problemlos mit dem Rollstuhl zugänglich sein sollten. Sehbehinderte erkämpften mit diesem Begriff Hörversionen von Internetbeiträgen.
Was heißt das für Autisten ? Formal gesehen. kann das z.B. bedeuten, daß Treffen von Vereinen etc. nicht im "real life", sondern im Netz stattfinden, aber dieselbe Verbindlichkeit haben wie z.B. reguläre Vereinssitzungen.
Aber es kann doch auch mehr heißen... Wir möchten, daß uns aufgrund unserer psychischen, neurologischen, sozialen ... Besonderheiten von der Mehrheitsgesellschaft keine Steine mehr in den Weg gelegt werden. Und intern ?
Weniger komplizierte Sprache, möglichst wenig "Schlagabtausche" in öffentlichen Foren.. Also alles glätten ? Andererseits sind doch gerade die Verdeckung von Entscheidungsstrukturen und inoffizielle Hierarchisierung von Kontakten Verhaltensformen, die Autisten mehr verwirren als durchschnittliche NA/NT.
Brauchen wir Schutz durch verantwortungsbewußte Autoritäten aus den eigenen Reihen vor möglicherweise zynischen Selbstdarstellern (eine tendentiell ausschließende Taktik), oder eher größtmögliche Offenheit der Debatte, die versucht, verschiedenste Tendenzen zu integrieren ?
Das könnte dann aber gerade als Autist die Gefahr bedeuten, vermittels liberaler Rhetorik von Personen mit ganz anderen Interessen platt gemacht zu werden.

Ich habe dafür bislang keine Lösung. Autorität innerhalb unserer keineswegs bestmöglichen Gesellschaft, die aber persönliche Machtgelüste möglichst ausschließt...



Was meint ihr ?
Ich bin tendentiell eher für ein transparentes (durchschaubares, für Mitbestimmung offenes) Vorgehen.
 

Re: Barrierefreiheit

Beitragvon Hans am Donnerstag 30. Juli 2009, 00:21

Ich bin grundsätzlich auch für Offenheit.
Das kann aber wieder dazu führen, daß man vom Stock aufs Stöckchen kommt,
daß man sich in Einzelheiten verliert.
Zitat Ottfried Fischer:
"Schwer ist leicht etwas"

Wie können wir es "leicht" machen und denen, die es "schwerer" haben wollen
auch gerecht werden?
In Computerprogrammen steht links die technische Form in kurzen Memnomics
und rechts daneben der ausführliche Kommentar, damit man später weiß was das Programm da gerade soll.
Ich weiß jetzt nicht wie das Forentechnisch geht, aber vielleicht ist das ein Denk-Ansatz,
den man hier einbringen kann.
 

Re: Barrierefreiheit

Beitragvon azrael am Donnerstag 30. Juli 2009, 08:43

extern wird es so betrachtet, dass das nicht "direkte" akzeptiert werden sollte als gleichberechtigte, vollständig anerkannte form zum beispiel sprachlichen austausches.

zurzeit werden meine sätze wieder "verkompliziert", weil unbekannt ist, wie andere menschen die aussagen von meiner person verstehen.

das bedeutet für das interne, dass meine person die sicherheit hergestellt wissen möchte, ohne verbiegen äußerungen abgeben zu können, ohne dass diese zuvor durch verschiedenste vertrauenspersonen auf nachvollziehbarkeit überprüft werden müssten, damit halbwegs abgesichert wäre, dass davon ausgegangen werden könnte, dass die äußerungen so wie sie angebracht werden wollen auch inhaltlich so verstanden werden könnten von anderen, sodass sich daraus keine probleme erwachsen und meine person nicht "seitenweise" erklärungen zu einem satz abgeben muss (weil es meiner person wichtig ist, richtig verstanden zu werden und nicht, dass sich andere irgendetwas anderes dazu ausdenken, was dann für meine person nicht mehr richtig ist), der gerade mal vier worte enthielt.

das problem sieht meine person nicht in der möglichen rhetorik-gewandtheit verschiedener user, wodurch andere platt gemacht werden könnten, sondern darin, dass andere etwas in "autistische" äußerungen hineininterpretieren und auf deren interpretiertes zu bestehen scheinen, auch wenn die "autistische" äußerung nochmals mit teils anderen worten ebenso erklärt wird, wie sie geäußert wurde, weil es gedacht von der wortwahl her nicht (so sehr) zu interpretationen kommen könnte. wenn eine person äußert, dass das sprachliche niveau zu hoch sei, bemühen sich in der regel die meisten menschen äußerungen nochmals zum beispiel ohne viele fremdworte anzubringen, teils auch so lange vereinfachend, bis wohl erkannt wird, dass das wesentliche beim anderen "angekommen" ist.
schwieriger ist es aus sicht meiner person dann, wenn andere menschen zu interpretieren beginnen und dann scheinbar nicht glauben wollen, dass das interpretierte gar nicht geäußert wurde. durch derartiges fühlt sich meine person in jenen situationen ständig von anderen "platt gemacht". damals, als sich meine person kommunikativ noch nicht auszudrücken wusste, funktionierte das platt gemacht werden auch nach rein non-verbaler "vorgabe". das prinzip ist beim sprachlichen scheinbar das gleiche: jemand erfindet ein resultat (so kommt es meiner person jedenfalls vor, weil es ihr vollkommen unverständlich ist, wie es zu derartigem kommen kann), hält daran fest und verlangt wohl eine reaktion von anderen. in der kindheit war es so, dass es wohl auf bestrafung hinauslaufen sollte und diesen charakter meint meine person nunmehr auch im rein "wörtlichen" austausch zu erkennen.

wenn andere personen akzeptieren könnten, dass eine getätigte aussage nicht als anders zu verstehen gedacht wurde, wie sie geäußert wurde, gäbe es eventuell keine probleme. wenn jede äußerung allerdings das potential besitzt, durch andere willkürlich mit anderen inhalten belegt zu werden, ist für meine person kommunikation mit anderen unmöglich. gäbe es jedoch eine person, die derartige konstellationen erkennen könnte - zum beispiel person 1 äußert "A", person 2 äußert "du meinst damit Z" und person 1 erwidert "nein, ich habe A geäußert und A meine ich auch" - wäre es für das fortkommen im austausch sehr sinnvoll, wenn diese person als so eine art mittelsmann anerkannt werden könnte.
meine person kennt andere autisten, die mit abstrakten begriffen schwierigkeiten besitzen. auch sie sollten sich trauen dürfen, zu schreiben und auch fragen zu stellen. doch wenn ein mensch erkennt, dass die probleme überwiegen und er mit seinen vorhandenen mitteln keine lösungen herbeiführen kann, wird er probleme meiden - was im falle von kommunikativen austausches bedeuten würde, dass sich diese personen allgemein nicht (mehr) äußern, sondern nur noch bei sie selbst betreffenden (eventuell sogar quälenden) situationen.

meine person kann immer nur von ihr selbst ausgehen und sie fragt sich, warum es zu eskalationen kommen "muss", damit zum beispiel ein problem "mitgeteilt" wird. wenn meiner person irgendetwas unklar ist, fragt sie sofort nach, weil alles grübeln eventuell nichts ergeben wird, was eine sache erhellen könnte. so geht meine person davon aus, dass andere das auch tun, was aber offensichtlich in der regel wohl nicht der fall zu sein scheint.

was versteht Andreas K. unter machtgelüste und autorität in bezug auf umsetzung von barrierefreiheit intern?

meine person hat sich über ein jahr intensiv mit der kommunikation in foren beschäftigt und dabei auch andere personen ausschließlich beobachtet. es scheint ein allgemeines problem zu sein, dass personen "plötzlich" fremde aussagen interpretieren, was zu diskussionen darüber führt, wer was wie geäußert hat, während gleichzeitig auf die interpretation bestanden wird mit der gar nicht so seltenen forderung, dass derjenige, der interpretiert wird, diese bestätigen soll mit der weiteren forderung, dass ansonsten der austausch "gelaufen" sei.
meine person hat jedoch noch nicht herausfinden können, woran genau das bestehen auf interpretationen liegt. ist es mangelnde kritikfähigkeit, annehmen zu können, dass getätigte interpretation falsch ist? oder ist es grundsätzlich eine "gefahr" in foren für autisten in verbindung mit selbsternannten autisten oder anderen personen zu kommunizieren, weil von ihnen - wenn es sich nicht definitiv um autisten handelt - eher NA-kommunikation umgesetzt wird mit ignoranz dessen, was autistische kommunikation bedeutet/bedeuten könnte (da womöglich oder sehr wahrscheinlich für NA äußerst unbekannt)?

aktuell zeugt es für meine person von ignoranz, wenn beispielsweise geäußert wird, dass die schriftliche kommunikation, welche sich als das am besten geeignete mittel darstellt um komplexe gedanken so wie sie sind darstellen zu können, ohne in ein- oder drei-wort-sätze zu verfallen, als nicht mehr nutzbar erscheint und darauf mit "heul doch" oder ähnlichem oder sogar nicht erkanntem reagiert wird.
es scheint viele autisten zu geben, die überwiegend nur lesend zum beispiel am forum teilnehmen. sehr selten einen sehr durchdachten sachlichen hinweis anbringen und sich ansonsten wieder komplett zurückzuziehen scheinen. wenn personen "nur" lesend vorgänge verfolgen, so scheint doch kommunikatives interesse zu bestehen. ferner bestehen foren, in denen es lediglich unter überwindung größerer hürden möglich ist, dass ein austausch mit anderen stattfinden kann. dort scheint jedoch das risiko geringer zu sein, dass sich viele nicht-autisten beteiligen und dadurch die kommunikation eventuell ungestörter verläuft.
in der verwandtschaft meiner person wurde erst akzeptiert, dass meine person so kommuniziert wie sie es tut, nachdem in "fachliteratur" ebensolches beschrieben wurde und erst darüber rückschlüsse zu den getätigten aussagen meiner person diesbezüglich erfolgten.

jedenfalls ist es für meine person alles andere als barrierefrei, wenn von ihr verlangt würde zu wissen, was andere personen alles in ihre getätigten äußerungen interpretieren könnten, zu wissen, womit andere probleme mit meiner person haben, wenn dieses nicht geäußert wird, wohl aber irgendwie reagiert werden soll - das ist für meine person 100% NA-kommunikation, womit meine person ausging, zum beispiel unter autisten weniger konfrontiert zu sein. vor einem jahr noch war die kommunikation aus sicht meiner person beispielsweise im ratgeberforum noch ideal. mittlerweile ist sie an den meisten stellen nur noch gruselig.

nach mehreren stunden des formulierens hat meine person den eindruck, doch nichts mitgeteilt zu haben und zieht sich wieder in ihren natürlichen schweigenden/nicht-sprachlichen zustand zurück.
 

Re: Barrierefreiheit

Beitragvon 55555 am Donnerstag 30. Juli 2009, 22:23

Das Problem ist tatsächlich heikel und ich habe dafür auch keine ideale Lösung derzeit. Wie kann man in Fällen vermiteln, in welchen eine Person schon überzeugt davon ist, daß böse Absichten bei jemand anderen vorliegen. Es könnte nur Sinn machen das zusammen zu hinterfragen, aber in manchen Stimmungslagen scheint das schwer möglich.

Eventuell könnte es sinnvoll sein die jeweiligen Konfliktparteien mit Sanktionsandrohung zu verpflichten den üblichen Forenbetrieb außerhalb spezieller Mediationsthreads nicht zu beeinträchtigen, nicht durch massenhafte Beiträge und drängende Forderungen Druck aufzubauen. Das wäre im Ratgeberforum aus meiner Sicht recht problemlos umzusetzen, aber in einem Verein, in welchem sich Mitglieder streiten würde es dann wohl wieder heikler. Wer will entscheiden, welche öffentliche Kritik berechtigt ist? Irgendwelche Amtsinhaber? Das fände ich schon problematisch. Andererseits könnte man auch dabei im Sinne der Barrierefreiheit zu gestehen sachlich die Kritik zu thematisieren, aber sich gewisse Ausuferungen zu verbitten. Wie das konkret in objektive personenunabhängige Regeln gegossen werden könnte weiß ich derzeit auch nicht.

Im übrigen finde ich den Begriff "Selbstenthinderung" problematisch. Enthinderung ist aus meiner Sicht die Forderung nach Beseitigung vorhandener Barrieren, die eben nicht im eigenen Einflußbereich stehen. Ich beobachte auch an anderen Stellen eine Verwässerung dieses Begriffs.

Den Vorschlag von Hans glaube ich nicht ganz verstanden zu haben, aber er ließe sich vielleicht mit verschiedenen Schriftfarben umsetzen.

Problematisch ist hier jedoch wieder, daß im Konfliktfall erfahrungsgemäß viele Nutzer sich mehr oder weniger bewußt weigern bestimmte Formen einzuhalten. Die Barrierefreiheitsbedürfnisse anderer werden oft dann auch nicht recht eingesehen wie mir scheint. Es bräuchte eine engagierte ausgeruht und reife Moderation, die es aber erfahrungsgemäß nicht gibt, weil solche Personen nicht zur Verfügung stehen und ich nicht alles selbst machen kann, zumal noch als Lieblinsgfeindbild mancher Personen. Aber da schließt sich vielleicht wieder ein Kreis, da offenbar praktisch allen Amtsinhabern gerne immer wieder pauschal vorgeworfen wird ihre Macht zu mißbrauchen. Wie soll dann diese Person reagieren? Eigentlich sollte sie nüchtern durchgreifen, aber solche Anschuldigungen verunsichern wohl doch viele Aktive dann. Man könnte sich ja vielleicht doch irren. Und währenddessen geht der halbe Laden in die Grütze. Man sollte im Zweifel erstmal eine Bremse reinhauen und dann in Ruhe versuchen eine Klärung herbeizuführen. Das ist das System im Ratgeberforum nach schlechten Erfahrungen, wird aber auch selten angewandt. Wohl wieder wegen diesen häufigen Vorwürfen gerade an die die handeln sollten im Interesse aller. Eventuell könnten Vorwürfe einer gewissen Pauschalität automatisch eine vorübergehende Sperrung in Teilbereichen auslösen als strikte Handlungsrichtlinie? Man wird es überlegen und dann austesten müssen. Aber es wird immer wieder Abdreher geben und erfahrungsgemäß sind die dann auch mehr oder weniger kreativ in ihrem Handeln, was auch immer es bezwecken soll.

Wenn ich anderswo als Störenfried gebrandmarkt wurde, wollte ich tatsächlich Dinge aufarbeiten und habe das eigentlich auch recht differenziert versucht, was allerdings dann recht anders interpretiert wurde. Das macht es mir nicht leichter hier eine Linie zu finden, weil ich Zensurbestrebungen auch selbst z.B. durch Sperrungen erfahren mußte.
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Re: Barrierefreiheit

Beitragvon zoccoly am Samstag 1. August 2009, 00:09

Ich war nun fast 14 Tage nicht im Forum und bin etwas schockiert über den Umgangston unter Autisten, da ich diesen eigentlich rationales Denken unterstelle. Schon vorher war ich der Ansicht, dass ein konsequentes Vorgehen gegen bestimmte Äußerungen notwendig ist. Es gibt Forenregeln, die einzuhalten sind, um den Rückzugsraum für Autisten zu erhalten und zu schützen, wenn Kräfte verbraucht werden, können diese für wesentliche Dinge nicht mehr eingesetzt werden und wir brauchen uns nicht mehr um notwendige Schritte für eine Barrierefreiheit zu unterhalten, geschweige denn diese zu realisieren.
 

Re: Barrierefreiheit

Beitragvon Andreas K. am Montag 3. August 2009, 00:57

Meine Begriffsbildung der "Selbstenthinderung" war vielleicht wirklich zu flapsig. Ich wollte wortbildend mit dem richtigen Ansatz der Enthinderungsselbsthilfe spielen.
Allerdings ist das nicht dasselbe. Autisten müssen sich in Selbsthilfegruppierungen organisieren, um ihr behindert werden zu bekämpfen, ihre Enthinderung zu erreichen . Sie/wir haben aber nicht die Macht, das selber zu tun.
Die Behinderungen/Barrieren werden durch den Staat und seine Institutionen, aber auch durch Mitmenschen, die vermeintlich oder tatsächlich wohlmeinend genau das falsche tun, bewirkt. Die damit verbundenen gesellschaftlichen Praxen sind leider oft herrschaftsförmig.

Also können sich Autisten nicht "einfach" enthindern, da sie sich nicht selbst behindert haben.
Der Kampf ist komplizierter und kommt ohne Forderungen an die Politik und ohne Gewinnung gesellschaftlichen Einflusses nicht aus.
Ich hoffe, wenn auch aus gewisser Distanz, daß auties e.V. dazu beitragen kann.
 

Re: Barrierefreiheit

Beitragvon 55555 am Montag 17. August 2009, 11:40

Gut, dann sind wir uns darin soweit einig. :)
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