von Andreas K. am Freitag 12. Juni 2009, 23:51
NA/NT, welche Höflichkeit wie einen Suchtstoff suchen, verlangen diese meist von anderen. Sie selbst können auch ganz anders, wenn ihnen ihrer Auffassung nach unhöflich begegnet wird.
Die Erwartunghaltung "Höflichkeit" wird damit wie zu einem Seil, wo andere drüberhopsen müssen. Dies bedeutet im Klartext Unterwerfung. Wer Höflichkeit fordert, maßt sich Macht an.
Sie ist dem Begriff nach dem Feudalismus entlehnt und gehört als vermeintliche Tugend dem konservativen Wertekanon an.
Häufig ist nicht nur Anpassung in der Form gemeint, sondern auch willige Zustimmung zu den inhaltlichen Aussagen der "Höflichkeitssüchtigen".
Besonders von Angehörigen von Dienstleistungberufen wird Höflichkeit erwartet. Ich bin Taxifahrer, über also einen solchen aus.
Es gibt den rhetorischen Trick der "Sklavensprache", einer verdeckten Ironisierung.
Wenn ein Fahrgast, der eher aus dem Bürgertum (Geschäftsmann/frau, Beamte/r...) kommt, mir z.B. Vorurteile über AusländerInnen, Behinderte etc... um die Ohren schlägt und ganz selbstverständlich erwartet, daß ich zustimme, wende ich diese an.
Ich bin dann formal überhöflich. Z.B. " Ich weiß, daß ich als Dienstleister zur Zurückhaltung verpflichtet bin. Ihnen gegenüber habe ich Beförderungspflicht und über sie aus. Im Rahmen der grundgesetzlichen Meinungsfreiheit möchte ich ihnen dennoch widersprechen..." Danach zerpflücke ich seine/ihre Argumente. Ich halte ihm einen Spiegel vor, bin formal höflich, aber fechte per Florett. Ich werde NIE persönlich. Der "Höflichkeitserwartende" wird ins Unrecht gedrängt, das dann ggf. als erster tun zu müssen.
Beschwert hat sich nach solchen Gesprächen auf dem Level höherer Alltagsdiplomatie noch nie jemand über mich. Die Reaktionen reichen von angestrengt formal bleiben (bei haarsträubenden Aussagen...) über Themenwechsel in der Hoffnung, ich möge doch bittebitte smalltalk machen bis hin zu Trinkgeldern und ehrlichem Dank, weil mal ein (wohl völlig unerwartetes...)aufrichtiges Streitgespräch mit einem völlig anders Denkenden drin war.
Jedenfalls ist es mir lieber, wenn ich ohne diese Höflichkeitserwartungen und Floskeln gleich aufrichtig sein darf. Auch dann neige ich nicht zu Beleidigungen.