von Andreas K. am Mittwoch 12. August 2009, 01:19
Wer aus dem geregelten Normalleben bewußt aussteigt, trifft immer eine eigene Entscheidung. Etwas anderes sind freilich Menschen, die nie die Chance hatten, an der Gesellschaft -so unvollkommen sie auch ist- teilzuhaben. Dies sind z.B. SchulabbrecherInnen, Langzeitarbeitslose nach Krankheit,auch viele Behinderte. Sie haben sich ihre Sonderrolle nicht ausgesucht.
Wer einen konservativeren Lebensweg geht, hatte oft einfach Glück; konnte mit einer Norm mitgehen. Das heißt aber eben auch, daß dies für viele noch der einfachere Weg ist. Normen wirken performativ: Sie entfalten ihre Macht dadurch, daß sie angewandt werden. Insofern haben AussteigerInnen, sofern der Ausstieg freiwillig ist, häufig tatsächlich mehr reflektiert, da sie gegen Regeln anrennen mußten und wollten, denen die anderen schlicht folgten.
Es gibt aber auch den Fall, daß Menschen bewußt auf die geschriebenen Regeln/Gesetze zugehen, sich zumindest in einigen Lebensbereichen für sie entscheiden. Arbeitsverträge z.B. sind berechenbar und einklagbar, Schwarzarbeit klappt -auch wenn niemand erwischt wird- nur, solange psychisches Einverständnis zwischen beiden Seiten vorherrscht. Wenns ums Geld geht, bestimmt dann letztlich der Chef, wo es langgeht, der Rest ist eine Mischung aus Abzocke und Erpressung. Für meinen Teil bin ich im Alltag oft eher für die geschriebenen Normen-- nicht, weil das so sein müßte, sondern weil ich beides ausprobiert habe und die ungeschriebenen Normen der Alternativszene oft für genauso ungerecht halte. Wegen meiner Persönlichkeitsstruktur (autistische Züge) finde ich es ausdrücklich einfacher, mich an Geschriebenes zu halten und notfalls formale Instanzen (Gerichte) hinzuziehen zu können.
Echte Kollektivität und Solidarität ohne Konkurrenz und Hintergedanken sind in unserer Gesellschaft Ausnahmen. Kapitalismus wirkt, das Sein bestimmt das Bewußtsein. Von einer tatsächlich herrschaftsfreien, klassenlosen Ordnung sind wir leider um Generationen entfernt.