Urteil: Arbeitslose darf wegen Mietzahlungsverzug der ARGE aus der Wohnung geworfen werden

Welcher Arbeitslose kennt sie nicht, die geradezu typische und "rein zufällig" abschreckende Unzuverlässigkeit und mitunter rätselhaften Verhaltensweisen der ARGEn und Arbeitsagenturen eben auch wenn es darum geht Summen pünktlich und dauerhaft korrekt zu zahlen. Praktiker wissen, daß dies im Rahmen einer scheinbar systematischen Schikanepolitik fast gar nicht verhindert werden kann. Nun hat das LG Bonn in seinem Urteil vom 10.11.2011; Az. 6 T 198/11 entschieden, daß einer Arbeitslosen (unten "Beklagte" genannt) zu Recht gekündigt wurde, weil sie nicht beweisen konnte alles getan zu haben um die ARGE dazu zu bewegen die Miete pünklich zu zahlen.

In dieser Konstellation ist ein entscheidender Faktor gewesen, daß die Miete von der ARGE offenbar aus unerfindlichen Gründen plötzlich nicht mehr direkt an den Vermieter gezahlt wurde. Wer also bewußt die Miete über das eigene Konto zum Vermieter lotst (wofür es ja durchaus gute Gründe geben kann) sollte besonders peinlich genau darauf achten Beweise dafür zu sammeln sich im o.g. Sinne bemüht zu haben, wenn die ARGE nicht früh genug zahlt. Wie diese Pflicht in Anbetracht der Kommunikationsbarrieren für Autisten auszulegen ist, ist auch der ESH unklar. Es dürfte jedoch naheliegen sich jeweils auf später nachweisbare Weise per Fax zu beschweren und dabei die "richtigen" Fragen im unten zitierten Sinne zu stellen.

Im einzelnen aus dem Urteil:

Zitat:
Die Kammer hält insoweit an ihrer bereits im Beschluss vom 09.07.2010, 6 T 144/10, geäußerten Rechtsauffassung fest, die im Einklang mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur steht, wonach der Verzug trotz des bestehenden Beschaffungsrisikos ausnahmsweise nicht zu vertreten ist, wenn der Mieter objektiv und schuldlos an der Zahlung verhindert ist (vgl. Schmidt-Futterer-Blank, 10. Auflage, § 543, Rn. 96 m. w. N.), auch wenn der Kündigungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB in der Regel die Berücksichtigung von persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen nicht zulässt (BGH ZMR 1987, 289). Als Ausnahmefall wurden von der Rechtsprechung insoweit z. B. die Verhinderung des Mieters aufgrund einer plötzlichen Erkrankung und die rechtzeitige Erteilung eines Überweisungsauftrags bei Nichtausführung durch die Bank trotz Kontodeckung anerkannt. Die Kammer ist der Ansicht, dass diesen Fällen der Fall gleichzustellen ist, in dem der im Leistungsbezug der ARGE stehende Mieter alles ihm Obliegende und Zumutbare getan hat, um die ARGE zur pünktlichen Zahlung der geschuldeten Mietzinsen an den Mieter zu veranlassen (wobei zu diesen Obliegenheiten ggf. auch gehört, die Miete pünktlich an den Vermieter weiterzuleiten, soweit keine Direktzahlung an den Vermieter erfolgt, sondern die ARGE zuerst an den Mieter zahlt).

[...]

Nach diesen Voraussetzungen hat die Beklagte nicht substantiiert dargelegt und schon gar nicht bewiesen, dass sie alles ihr Obliegende und Zumutbare getan hätte, um die ARGE zur pünktlichen Zahlung zu veranlassen.

Unstreitig zahlte die ARGE die Miete vorliegend direkt an die Klägerin. Es ist jedoch nicht konkret von der Beklagten vorgetragen worden, warum die ARGE nicht stets pünktlich zahlte und inwieweit die Beklagte alles ihr Obliegende und Zumutbare getan hätte, um dies zu verhindern. Es wird nicht konkret dazu vorgetragen, warum die ARGE nicht pünktlich zahlte, so dass nicht bewertet werden kann, ob dieses Verhalten der ARGE objektiv fehlerhaft ohne Zutun der Beklagten war. Zwar kündigte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom ...05.2011 an, dass er sich erkundigen wolle, weshalb für Februar bis März 2011 gar nichts gezahlt worden sei, erklärte dann aber mit Schriftsatz vom ...07.2011 lediglich pauschal, dass die Beklagte den Zahlungsverzug nicht zu vertreten habe. Mit Schriftsatz vom ...07.2011 wurde vorgetragen, dass sich der Grund der nicht pünktlichen Zahlung der Kenntnis der Beklagten entziehe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 03.08.2011 erklärte die Beklagte sodann im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung, dass sie „jeden Tag bei der ARGE gewesen sei“ und „denen gesagt habe, dass das überprüft werden müsse“. Die ARGE habe ihr gesagt, dass die Miete versehentlich auf ihr Konto überwiesen worden sei. Sie habe deswegen ihre Kontoauszüge mitgebracht, auf denen aber zu sehen gewesen sei, dass dem nicht so gewesen sei. Das sei dann besprochen worden. Seit April sei sie jeden Tag bei der ARGE gewesen. Zuvor sei sie bereits mit dem Schreiben vom ...03.2011 am ...03. oder ...03. zur ARGE gegangen. Anschließend habe sie auch das Schreiben vom ...04.2011 bekommen, mit welchem sie auch zur ARGE gegangen sei. Die Schreiben habe sie bei der ARGE bei Herrn N abgegeben.

Abgesehen davon, dass dieser Sachvortrag von der Klägerin bestritten wurde, daraufhin auch kein Beweis angeboten wurde und dass dieser Sachvortrag auch verspätet gewesen wäre gemäß § 296 Abs. 2 ZPO, war dieser Sachvortrag auch (schon) unsubstantiiert. Es wird jedenfalls nicht konkret vorgetragen, warum die Miete nicht von der ARGE überwiesen wurde, nachdem sich das angebliche Versehen mit der Überweisung auf das eigene Konto der Beklagten nach der eigenen Darstellung der Beklagten aufgeklärt hatte (mutmaßlich, nachdem die Beklagte am ...03. oder ...03. bei der ARGE vorstellig wurde), zumal auch nicht nachvollziehbar ist, warum die ARGE plötzlich die Miete auf ein anderes Konto hätte überweisen sollen, nachdem sie diese zuvor mehrere Monate auf das Konto der Klägerin überwiesen hatte. Es wird auch nicht ansatzweise substantiiert dazu vorgetragen, warum die ARGE dann auch auf das entsprechende Schreiben der Klägerin vom ...03.2011, in dem die Klägerin explizit auf den Zahlungsrückstand hinwies und um Aufklärung bat, wer den Verzug zu vertreten hat (sogar unter Zugrundelegung der richtigen wie hier dargestellten Rechtsauffassung bezüglich des Vertretenmüssens), nicht den Rückstand beglich, sondern zunächst nur die Miete für den Monat April 2011 zahlte (Schriftsatz der Klägerin vom ...07.2011, Bl. ... GA) und wohl schon gar nicht sich dazu äußerte, dass etwa sie den Rückstand zu vertreten hätte und nicht die Beklagte. Entgegen der Ansicht der Beklagten reichen die vorgetragenen mehrfachen Aufforderungen an die ARGE, die Miete zu zahlen, aus den dargestellten Gründen nicht aus.