Vergünstigungen nach EStG für Autisten

Für Autisten als bestätigterweise von der statistischen Durchschnittsbevölkerung abweichende Personen existieren verschiedene Vergünstigungen im Steuerrecht. Ansprüche sollten durch Schwerbehindertenausweis oder ärztliche Bescheinigung nachgewiesen werden können, auch wenn die Pauschbeträge ausschließlich an eine Anerkennung nach SGB9 (Versorgungsamt) gekoppelt sind, denn im EStG wird anscheinend kein expliziter Bezug zum SGB9 hergestellt. Kindergeld kann auch an einen Autisten selbst ausgezahlt werden, dazu siehe die Kapitel zum Kindergeld weiter unten.

Aufwendungen als Werbungskosten oder Betriebsausgaben

Für Fahrten zwischen Arbeitsstätte und Wohnung mit dem eigenen Kfz können nachgewiesene tatsächliche Kosten auch über der gültigen Kilometerpauschale abgesetzt werden, wenn der GdB mindestens 70 oder mindestens 50 mit Merkzeichen G beträgt. Wird ein solcher Autist von jemand anderem im eigenen Kfz gefahren, weil der Autist keine gültige Fahrerlaubnis besitzt oder seine Fahrerlaubnis aus mit dem Autismus zusammenhängenden Gründen nicht gebraucht können auch die entstehenden Leerfahren abgesetzt werden, die dadurch entstehen, daß der Fahrer zwischenzeitlich wieder nachhause fährt. Auch z.B. Antimobbingseminare sind bei Beruftätigen als Werbungskosten absetzbar, wenn das Mobbing gegenüber dem Finanzamt z.B. mit einem Mobbingtagebch glaubhaft gemacht wird. "Die Gespräche während der Gruppenabende dienten dazu, ihn in seiner beruflichen Situation zu stärken und das Dienstverhältnis aufrechtzuerhalten" FG Niedersachsen, Urteil vom 8.6.2006, Az. 14 K 57/03. Das Urteil ist rechtskräftig laut BFH-Beschluss vom 1.3.2007, Az. VI B 92/06.

Außergewöhnliche Belastungen

Zitat:
"§ 33 Außergewöhnliche Belastungen
(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.
(2) Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören oder unter § 4f oder § 9 Abs. 5 fallen, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können. Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
[...]
Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 oder auf Kindergeld hat."

Quelle: http://www.gesetze-im-internet.de/estg/__33.html

Fallen in bestimmten Bereichen höhere außergewöhnliche Belastungen an, als der jeweilige Pauschbetrag gemäß GdB oder Merkzeichen H unter Berücksichtigung der jeweiligen zumutbaren Belastung beträgt (siehe weiter unten), können diese teilweise anstatt des Pauschbetrags einzeln belegt und abgesetzt werden. Dazu bedarf es nach neuester BFH-Rechtsprechung (Az. VI R 17/09 und VI R 16/09) nur eines normalen ärztlichen Attests. Früher verlangten Finanzämter teilweise das Gutachten eines Amtsarztes. (Quelle: http://www.ftd.de/karriere-management/recht-steuern/:recht-steuern-bunde... ) Es kann steuerlich Sinn machen große abzugsfähige Anschaffungen gezielt in einem Jahr vorzunehmen (vorher nachfragen, ob etwas tatsächlich anerkannt wird und die Auskunft schriftlich geben lassen!). Es gibt allerdings auch außergewöhnliche Belastungen, die direkt geltend gemacht werden können, ohne daß der Pauschbetrag betroffen wäre (siehe zweite Liste weiter unten). Kosten, die bereits die Krankenkasse übernahm können vermutlich bis auf mögliche Eigenanteile nicht abgesetzt werden. Pauschbetrag, Freibeträge, Werbungs- und sonstige absehbare Kosten auf Antrag unter Umständen in der Lohnsteuerkarte eingetragen werden, um die laufend abgeführten Steuern zu mindern. Solche anstelle des Pauschbetrags ansetzbare Belastungen im Sinne des Steuerrechts sind z.B. (wer etwas anerkannt bekam, das nicht unten als Beispiel genannt wird, soll das gerne mitteilen, zwecks Vervollständigung dieser Seiten):

  • Besondere Einbauten in der Wohnung, die im allgemeinen wegen mangelnder Nachfrage durch die Durchschnittsbevölkerung zu keinem entsprechenden Gegenwert führen, z.B. ein Floatingtank zur Entspannung oder Snoezelutensilien
  • Hilfsmittel, wie z.B. unter Umständen eine Sqeezebox, ein Dreirad oder IRLEN-Brillen (kommt auf den Einzelfall und den Sachbearbeiter an, im Zweifel kann vor der Anschaffung nachgefragt werden, ob diese dementsprechend anerkannt würde, bei Ablehnung zwecks Unterstützung eventuell Rücksprache mit der Enthinderungs-SH halten)
  • Mehraufwand an Wäsche
  • regelmäßige Kosten für Therapien und Arzneien bezüglich durch gesellschaftliche Diskriminierung hervorgerufene Krankheiten
  • laut Gesetz wie oben nachzulesen ausdrücklich nicht in diesem Sinne abzugsfähig sind Kosten für spezielle Nahrungsmittel

Die jeweilige zumutbare Belastung wird in % des Jahreseinkommens bestimmt und ist laut §33,3 EStG (der oben im Gesetzesauszug nicht zitierten Tabelle) vom Einkommen, sowie von der Berechnungsgrundlage der Einkommensteuer und vom Vorhandensein von Kindern abhängig:

  • Bei einem Jahreseinkommen bis 15.340€ beträgt die zumutbare Belastung bei einer Besteuerung nach der Grundtabelle 5% desselben; bei einer Besteuerung nach der Splittingtabelle 4%; beim Vorhandensein von bis zu zwei Kindern 2%; beim Vorhandensein von drei oder mehr Kindern 1%
  • Bei einem Jahreseinkommen von 15.341€ bis 51.130€ beträgt die zumutbare Belastung bei einer Besteuerung nach der Grundtabelle 6% desselben; bei einer Besteuerung nach der Splittingtabelle 5%; beim Vorhandensein von bis zu zwei Kindern 3%; beim Vorhandensein von drei oder mehr Kindern 1%
  • Bei einem Jahreseinkommen über 51.130€ beträgt die zumutbare Belastung bei einer Besteuerung nach der Grundtabelle 7% desselben; bei einer Besteuerung nach der Splittingtabelle 6%; beim Vorhandensein von bis zu zwei Kindern 4%; beim Vorhandensein von drei oder mehr Kindern 2%

Ob der Pauschbetrag demnach tatsächlich übertroffen werden kann, läßt sich bestimmen, indem man den vorliegenden Pauschbetrag und die jeweilige zumutbare Belastung zusammenrechnet. Darüber hinaus können wie oben schon erwähnt weitere Ausgaben neben den Pauschbeträgen abgerechnet werden.

Zitat:
§ 33a Außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen

[...]

(3) Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen durch die Beschäftigung einer Hilfe im Haushalt, so können sie bis zu den folgenden Höchstbeträgen vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden:

624 Euro im Kalenderjahr, wenn

  1. der Steuerpflichtige oder sein nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte das 60. Lebensjahr vollendet hat oder

  2. wegen Krankheit des Steuerpflichtigen oder seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder eines zu seinem Haushalt gehörigen Kindes, für das er oder sein nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 oder auf Kindergeld hat, oder einer anderen zu seinem Haushalt gehörigen unterhaltenen Person, für die eine Ermäßigung nach Absatz 1 gewährt wird, die Beschäftigung einer Hilfe im Haushalt erforderlich ist,

924 Euro im Kalenderjahr, wenn eine der in Nummer 1 Buchstabe b genannten Personen hilflos im Sinne des § 33b oder schwer behindert ist.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen wegen der Unterbringung in einem Heim oder zur dauernden Pflege Aufwendungen, die Kosten für Dienstleistungen enthalten, die mit denen einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind, so können sie bis zu den folgenden Höchstbeträgen vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden:

624 Euro, wenn der Steuerpflichtige oder sein nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte in einem Heim untergebracht ist, ohne pflegebedürftig zu sein,
924 Euro, wenn die Unterbringung zur dauernden Pflege erfolgt.
Die jeweiligen Höchstbeträge der Sätze 1 und 2 können auch bei Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 vorliegen, insgesamt nur einmal abgezogen werden, es sei denn, die Ehegatten sind wegen Pflegebedürftigkeit eines der Ehegatten an einer gemeinsamen Haushaltsführung gehindert.

(4) Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die in den Absätzen 1 bis 3 bezeichneten Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, ermäßigen sich die dort bezeichneten Beträge um je ein Zwölftel. Eigene Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen Person oder des Kindes, die auf diese Kalendermonate entfallen, vermindern die nach Satz 1 ermäßigten Höchstbeträge und Freibeträge nicht. Als Ausbildungshilfe bezogene Zuschüsse mindern nur die zeitanteiligen Höchstbeträge und Freibeträge der Kalendermonate, für die die Zuschüsse bestimmt sind.

(5) In den Fällen der Absätze 1 bis 3 kann wegen der in diesen Vorschriften bezeichneten Aufwendungen der Steuerpflichtige eine Steuerermäßigung nach § 33 nicht in Anspruch nehmen...


Quelle: http://www.gesetze-im-internet.de/estg/__33a.html

Zitat:
Durch die wahlweise Berücksichtigung der behinderungsbedingten Aufwendungen in Form der um die zumutbare Belastung geminderten tatsächlichen Aufwendungen oder des Behinderten Pauschbetrags [sic!] werden nur die durch die Behinderung laufend unmittelbar entstehenden Mehraufwendungen (typische Mehraufwendungen) berücksichtigt. Entstehen dem behinderten Menschen darüber hinaus noch andere Aufwendungen, die als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG zu behandeln sind, können diese zusätzlich zum Abzug gebracht werden.

Quelle (eine zu diesem Thema allgemein brauchbare Broschüre des Finanzministeriums Baden-Württemberg): www.u-asta.uni-freiburg.de/engagement/referate/soh/steuertipps.pdf
Als Außergewöhnliche Belastungen, die neben dem Pauschbetrag unter Berücksichtigung der zumutbaren Belastung abgesetzt werden können, kommen im Klartext z.B. in Betracht, sofern diese Posten nicht von anderen Stellen übernommen werden oder wurden:
  • Aufwendungen für Haushaltshelfer (z.B. für putzen, kochen, waschen, einkaufen), sofern diese erforderlich sind, bis zu einem Höchstbetrag von 624€ pro Jahr. Liegt ein GdB von mindestens 50 oder Merkzeichen H vor erhöht sich der Betrag auf 924€ pro Jahr. Verheiratete, die nicht dauerhaft getrennt leben können zusammen nur einmal die genannten Beträge absetzen, auch wenn beide einzeln die Voraussetzungen erfüllen würden.
  • Außerordentliche Krankheitskosten, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Solche Krankheitskosten können aber auch eine Folge der Behinderung sein (was bei Autisten ja vieles ist) und durch einen "akuten" Anlaß verursacht worden sein. Das wären z.B. selbst zu tragende Kostenanteile bei Zahnarzt und Optiker, für Operationen, für Hilfsmittel wie Einlagen für Schuhe, eigene Kostenanteile für Arzneien und sonstige Heilmittel oder für Therapien aufgrund von akuten Problemen mit dem Lebensumfeld, etc.
  • Infolge der Behinderung entstehende "angemessene" private Kfz-Kosten, die nicht Werbungskosten Betriebsausgaben oder Sonderausgaben darstellen. Die Fahrten können auch Fahrten sein, bei denen ein Autist im eigenen Interesse von anderen in deren Pkw gefahren wurde. Bei Fahrten mit dem Taxi oder anderen Verkehrsmitteln kann die Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten beantragt werden. Aus Vereinfachungsgründen wird bei Personen mit GdB 80 oder GdB 70 und Merkzeichen G offenbar eine jährliche Fahrleistung von bis zu 3000km als angemessen angesehen, wobei in der Regel jeder km mit 0,30€ veranschlagt wird. Bei Inhaber des Merkzeichens H erhöht sich diese Summe auf 15.000km jährlich. Die reale Fahrleistung bis zu diesen Werten ist nachzuweisen. Im Einzelfall kann auch eine höhere Fahrleistung anerkannt werden, wenn die Ursache eine "spezielle Behinderung" ist und der Umstand nachgewiesen wird, wozu die Führung eines (kommentierten?) Fahrtenbuchs empfohlen wird. Im Einzelfall kann auch ein höherer Kostensatz pro km angesetzt werden, z.B. wenn die Fahrleistung behinderungsbedingt besonders gering war oder Spezialfahrzeuge verwendet werden.
  • Bei "ständiger Pflegebedürftigkeit" (siehe auch die sinngemäßen Anmerkungen zu Merkzeichen H auf der Seite zu den Merkzeichen) Aufwendungen für ambulante Pflegekräfte. Voraussetzung ist Pflegebedürftigkeit im Sinne des §14 SGB11 und kann durch Merkzeichen H oder die Bewilligung einer Pflegestufe nachgewiesen werden.
  • Aufwendungen für verordnete Kuren, bei denen man sich in ärztlicher Behandlung befindet. Näheres siehe oben verlinkte Broschüre des Finanzministeriums Baden-Württemberg, S. 16-17.

Kindergeld für behinderte Erwachsene

Autisten, die wegen ihrer Behinderungen außerstande sind ihren Lebensunterhalt zu bestreiten sind Kinder nach §32 EStG: Dementsprechend ist den Eltern für sie Kindergeld oder der Kinderfreibetrag zu gewähren. Das Kindergeld kann auf Antrag auch dem Autisten selbst ausgezahlt werden. Kindergeld ist rechtlich gesehen übrigens zu großen Teilen ein Ausgleich für die Besteuerung des Existenzminimums von Kindern und keine Sozialleistung.

Zitat:
“(4) Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es
[...]
3. wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.”

Quelle: http://www.gesetze-im-internet.de/estg/__32.html

Die Altersgrenze im EStG §32
Da Autismus immer von Geburt an besteht, ist die Altersgrenze des Eintritts der Behinderung vor 27. oder heute 25. Lebensjahr (Geburtsjahr bis 1981: bis 27; Geburtsjahr 1982: bis 26; Geburtsjahr ab 1983: bis 25) eigentlich nicht zweifelhaft. Aber manche Familienkasse macht schon hierbei trotzdem Ärger. Daher ist es sinnvoll sich ein ärztliches Attest zu besorgen, in dem bestätigt wird, daß Autismus seit der Geburt besteht und lebenslang Bestand haben wird.
Wenn keine rückwirkende Feststellung durch das Versorgungsamt erfolgte, ist das nicht weiter schlimm, denn das bedeutet nicht automatisch, daß das Versorgungsamt das Bestehen seit Geburt bezweifelt. Das Versorgungsamt stellt die Behinderung nämlich in der Regel gemäß SchwbAwV §6 nur rückwirkend unter der zusätzlichen Bedingung eines “besonderen Interesses” fest:

Zitat:
“Ist auf Antrag des schwerbehinderten Menschen nach Glaubhaftmachung eines besonderen Interesses festgestellt worden, daß die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, ein anderer Grad der Behinderung oder ein oder mehrere gesundheitliche Merkmale bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, ist zusätzlich das Datum einzutragen, von dem ab die jeweiligen Voraussetzungen mit dem Ausweis nachgewiesen werden können.”

Quelle: http://www.gesetze-im-internet.de/schwbawv/__6.html

Hierzu ergängend ein Zitat aus einem Urteil, das verdeutlicht, daß das Interesse an der Bewilligung von Kindergeld kein besonderes Interesse gemäß SchwbAwV darstellt:

Zitat:
“Denn - und so hat es das zuständige Arbeitsamt in den vorgelegten Bescheiden auch ausgeführt - die Gewährung des Kindergeldes hängt nicht davon ab, ob ein GdB von 50 vorliegt, sondern davon, ob der Betroffene wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und dass diese Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommenssteuergesetzes - EStG -). Der festgestellte GdB kann insofern zwar als Nachweis einer Behinderung dienen. Jedoch genügt auch ein GdB von 30 in Verbindung mit der Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX (vgl. Glanegger in Schmidt, EstG, 21. Auflage 2002, § 32 Rn. 50 sowie Einkommmenssteuer-Richtlinien 1999 bzw. 2003, R 180d). Deshalb mag zwar ein GdB von 50 eine Indizwirkung für die Feststellung des Umfangs der Behinderung im kindergeldrechtlichen Sinne und die dort nötige Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen der Behinderung und der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt haben. Rechtliche Voraussetzung für einen Kindergeldanspruch ist er aber nicht, zumal der Behinderungsbegriff des EStG nicht identisch mit dem GdB des SGB IX ist (vgl. hierzu ausführlich: Seewald/Felix, Kindergeldrecht, Stand: 12/98, § 63 EStG, Rn. 292 ff.). Es obliegt deshalb den für die Kindergeldgewährung zuständigen Behörden, die Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs ggf. rückwirkend zu prüfen, nicht aber den Versorgungsbehörden mittels Feststellung des GdB. Dies gilt ganz besonders angesichts der beschriebenen, mit einer rückwirkenden Feststellung eines GdB von 50 verbundenen Probleme, so dass sich das besondere Interesse im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 SchwbAwV auf diese Weise nicht begründen lässt.”

Quelle: SG Dresden vom 9. Dezember 2004 - Az.: S 7 SB 340/02 http://www.anhaltspunkte.de/rspr/urteile/S_7_SB_340.02.htm

Ursächlichkeit der Behinderung
Zunächst ein Zitat aus der offiziellen Dienstanweisung, nach der die Familienkasse den Antrag beurteilen sollte, der DA-FamEStG 63.3.6.3.1:

Zitat:
“(1) Die Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit des Kindes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit wird grundsätzlich zu verneinen sein, wenn der Grad der Behinderung weniger als 50 beträgt und besondere Umstände dafür, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Erwerbstätigkeit ausgeübt werden kann, nicht ersichtlich sind. Es ist unbeachtlich, ob die mögliche Erwerbstätigkeit dem behinderten Menschen nach seinem derzeitigen Bildungs- und Ausbildungsstand zugemutet werden kann. Allein die Feststellung eines sehr hohen Grades der Behinderung rechtfertigt die Annahme der Ursächlichkeit nicht.
(2) Die Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit des Kindes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit kann grundsätzlich angenommen werden, wenn
– im Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch oder im Feststellungsbescheid das Merkmal „H“ (hilflos) eingetragen ist oder
– der Grad der Behinderung 50 oder mehr beträgt und besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgeschlossen erscheint (z.B. Unterbringung in einer Werkstatt für behinderte Menschen).
Dem Merkzeichen „H“ steht die Einstufung als Schwerstpflegebedürftiger in Pflegestufe III nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch, dem Bundessozialhilfegesetz oder diesen entsprechenden Bestimmungen gleich; diese ist durch Vorlage des entsprechenden Bescheides nachzuweisen.
(3) Bestehen Zweifel an der Ursächlichkeit der Behinderung, ist eine Stellungnahme der Reha/SB-Stelle der Agentur für Arbeit darüber einzuholen, ob die Voraussetzungen für eine Mehrfachanrechnung nach §76 Abs. 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erfüllt sind. Liegen die Voraussetzungen vor, ist das Kind zu berücksichtigen, auch wenn es eine Erwerbstätigkeit von mehr als 15 Stunden wöchentlich (vgl. Abs. 4) ausüben könnte. Der Anspruch ist jährlich zu prüfen. Für die Anfrage ist der Vordruck KG 4a zu verwenden. Der Feststellungsbescheid und ggf. vorhandene ärztliche Bescheinigungen sind beizufügen. Ist der Reha/SB-Stelle der Agentur für Arbeit mangels hinreichender Unterlagen eine Stellungnahme nicht möglich, teilt sie dies auf der Rückseite des Vordrucks KG 4a der Familienkasse mit. In diesem Fall ist dem Antragsteller unter Verwendung des Vordrucks KG 4b vorzuschlagen, das Kind durch den Ärztlichen/Psychologischen Dienst der Agentur für Arbeit begutachten zu lassen. Dabei ist er auf die Rechtsfolgen der Nichtfeststellbarkeit der Anspruchsvoraussetzungen hinzuweisen. Wird die Begutachtung verweigert, so ist der Antrag abzulehnen. Sofern der Berechtigte innerhalb der gesetzten Frist nicht widerspricht, leitet die Familienkasse erneut eine Anfrage der Reha/SB-Stelle zu, die ihrerseits die Begutachtung durch den Ärztlichen Dienst und ggf. den Psychologischen Dienst veranlasst. Das Gutachten ist an die Reha/SB-Stelle zu senden, damit diese die Anfrage der Familienkasse beantworten kann. Das Gutachten verbleibt bei der Reha/SB-Stelle. Erscheint das Kind ohne Angabe von Gründen nicht zur Begutachtung, gibt der Ärztliche Dienst/Psychologische Dienst die Unterlagen an die Reha/SB-Stelle zurück, die ihrerseits die Familienkasse unterrichtet. Diese entscheidet dann unter Einbeziehung der Stellungnahme der Reha/SB-Stelle.
(4) Kann nach den Abs. 1 bis 3 nicht festgestellt werden, ob die Behinderung die Ursache für die Unfähigkeit des Kindes ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, so ist eine Stellungnahme der Reha/SB-Stelle der Agentur für Arbeit zu der Frage einzuholen, ob das Kind nach Art und Umfang seiner Behinderung in der Lage ist, eine arbeitslosen-versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben. Ist das Kind hierzu nicht in der Lage, kann unterstellt werden, dass die Behinderung der Grund für die Erwerbslosigkeit ist. Für das Verfahren gilt Abs. 3.
(5) Ein über 27 Jahre altes Kind, das wegen seiner Behinderung noch in Schul- oder Berufsausbildung steht, ist in jedem Fall als unfähig zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit anzusehen. Es kann unterstellt werden, dass die Behinderung der Grund für die Verlängerung ist, wenn der Grad der Behinderung 50 oder mehr beträgt.”

Quelle: Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG); Linkquelle

Einen ausdrücklichen Hinweis wert dürfte in dieser Darstellung besonders die Koppelung von Merkzeichen H an die dann als erfüllt anzusehende Ursächlichkeit aus Punkt 2 sein. Denn wie auf dieser Seite im Kapitel zu Merkzeichen H nachzulesen ist, ist bei Autisten Merkzeichen H nach AHP regelhaft bis zum 16. Lebensjahr zu gewähren. Deswegen sollte bei Autisten in jedem Fall eine Ursächlichkeit weit vor der Altersgrenze vorgelegen haben, da Autismus bekanntlich angeboren ist und bis zum 16. Lebensjahr also ein klarer Anspruch auf H bestanden hätte, auch wenn die Diagnose erst viel später bestellt wurde. Im übrigen wird weiter unten eine Passage zitiert, die verdeutlicht, daß die Unfähigkeit seinen Lebensunterhalt ökonomisch selbst zu bewerkstelligen theoretisch sogar gar nicht nicht vorm Erreichen der Altersgrenze bestanden haben muß, sondern nur die Behinderung an sich, was von Ämtern manchmal anders behauptet wird.
Der zitierte Text ist kein Gesetz, sondern nur eine Dienstanweisung, daher ist die Rechtsprechung maßgeblich, hierzu dies:

Zitat:
“Macht die Kindergeldkasse Ihnen das Kindergeld streitig, weil Ihr Kind zum Beispiel der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand, sollten Sie sich wehren. Die Behinderung muss nämlich nicht alleiniger Grund sein. Eine Mitverursachung durch die Behinderung reicht aus (FG Sachsen 1 K 1565/04 (Kg) vom 26.06.2006, EFG 2006, Seite 50).
Das letzte Wort hat allerdings der BFH. Stützen Sie deshalb Ihren Einspruch gegen den ablehnenden Kindergeldbescheid auf die Revision III R 72/06 und beantragen Sie das Ruhen des Verfahrens.”

Quelle: http://www.steuertipps.de/?menuID=8&navID=17&softlinkID=9613&softCache=true
Zitat:
“Das Finanzgericht Düsseldorf stellte klar, dass es nicht darauf ankomme, ob eine Person theoretisch in der Lage ist zu arbeiten. Entscheidend sei, ob die Aussicht auf einen Job realistisch ist (FG Düsseldorf vom 8.2.2007, Az. 14 K 5102/05 Kg).
Im Klartext: Die Familienkasse muss den Eltern Kindergeld zahlen, wenn

  • dem Kind eine Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent bescheinigt wurde und
  • die Arbeitsagentur es trotz dauerhafter Bemühungen nicht schafft, dem Kind eine Stelle zu vermitteln.

Unter diesen Voraussetzungen greift eine Vereinfachungsregelung der
Finanzverwaltung: Es liegen “besondere Umstände” vor, die eine Erwerbstätigkeit des Kindes ausgeschlossen scheinen lassen (H 32.9 EStH).
Das Finanzamt hat gegen das Urteil Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt. Betroffene Eltern sollten in vergleichbaren Fällen Einspruch einlegen. Verweisen Sie auf die anhängige Revision III R 16/07 und beantragen Sie Ruhen des Verfahrens. Übrigens: Der Ausgang des Verfahrens gewinnt künftig an Bedeutung, denn die Altersgrenze für das Kindergeld wird von 27 auf 25 Jahre herabgesetzt.”


Quelle: http://www.steuertipps.de/?menuID=8&navID=17&softlinkID=9937&softCache=true

Sonstige Voraussetzungen

  • Das Vermögen des “Kindes” darf nicht berücksichtigt werden und muß daher im Antrag nicht mitgeteilt werden:
    “Bislang durfte das Kind kein verwertbares eigenes Vermögen über 15.500,- Euro besitzen. Diese Regelung wurde vom Bundesfinanzhof außer Kraft gesetzt (Urteile vom 19. August 2002, Aktenzeichen VIII R 17/02 und VIII R 51/01). Das Vermögen wird also bei der Frage, ob ein Kind in der Lage ist sich selbst zu unterhalten nicht mehr berücksichtigt! Diese Regelung betrifft volljährige Menschen mit Behinderung, egal ob diese das 27. Lebensjahr bereits vollendet haben oder nicht.”
    Quelle: http://www.intakt.info/80-0-kindergeld-fuer-volljaehrige-kinder.html
  • Die Behinderung kann auch ohne Versorgungsamtsfeststellung gegenüber der Familienkasse durch eine ärztlichen Bescheinigung, durch eine Bescheinigung der Pflegestufe 3 oder einen behinderungsbegründeten Rentenbescheid belegt werden.
  • Zitat:
  • DA-FamEStG 63.3.6.1.5: “Seine Behinderung [die des “Kindes”] muss vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sein, nicht jedoch die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten.”
  • Wer seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann, indem er aus Erwerbsarbeit, Renten, etc. ein Einkommen erzielt, das über dem des Grenzbetrages nach EStG zusammen mit dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf liegt hat keinen Anspruch auf Kindergeld. Der Grundbetrag ist derzeit 7680€ pro Jahr, dazu kommt bei Berufstätigkeit (auch in einer WfbM) der Arbeitnehmerpauschbetrag von 920€ und der Betrag gemäß GdB-Liste oder Merkzeichen H. Diese Grenzen können höher ausfallen, manche Einkommen dürfen nicht angerechnet
    werden, etwa Eingliederungshilfe.
  • Wenn die Eltern nicht mehr am Leben sind kann der Kindergeldanspruch, der normalerweise ein Anspruch der Eltern ist, auf das Kind übergehen. Die Eltern können den Anspruch auch zu Lebzeiten freiwillig an das Kind abtreten.

Vergünstigungen nach EStG für Angehörige

Es bestehen auch verschiedene Möglichkeiten für Angehörige von Autisten im Steuerrecht Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen. Im Prinzip gilt das für alle oben beschriebenen Steuervergünstigungen gemäß §33 EStG auf Antrag, die auch Autisten selbst bei der eigenen Steuererklärung geltend machen können. Das Kriterium für eine Übernahme solcher Kosten ist, daß die betreffende Person sich den nachzuweisenden Aufwendungen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Kosten dürfen nur einmal bei einer Person abgesetzt werden und nicht doppelt einmal beim Autisten selbst und nochmal bei einem Angehörigen. Verfügt der Autist selbst über "genug" eigene Einkünfte, kann eine fehlende Zwangsläufigkeit der Kostenübernahme unterstellt und die Anrechnung abgelehnt werden.

Der Pauschbetrag aufgrund eines GdB oder Merkzeichen H kann auf die Eltern oder unter Umständen sonstige entsprechende Angehörige mit einem Kindergeldanspruch für den Autisten übertragen werden, wenn der Pauschbetrag vom Autisten selbst nicht genutzt wird. Haben mehrere Personen (z.B. beide Eltern) Kindergeldanspruch für den Autisten, kann der Pauschbetrag unter diesen Personen je nach Antrag dieser Personen aufgeteilt werden. Auch hier können Pauschbetrag, Freibeträge, Werbungs- und sonstige absehbare Kosten auf Antrag in etlichen Fällen in der Lohnsteuerkarte eingetragen werden, um die laufend abgeführten Steuern zu mindern.

Eltern oder unter Umständen andere entsprechende Angehörige eines Autisten (meist ein Kind) können zudem Kosten für den Besuch des Autisten an einer Privatschule (insbesonders Schulgeld, eventuell auch Fahrtkosten der Eltern in ein Internat oder des Autisten von dort nachhause und andere Mehraufwendungen) als außergewöhnliche Belastung geltend machen, wenn das Oberschulamt bestätigt hat, daß wegen autistischer Eigenschaften ein geeigneter Schul- oder Berufsabschluß nicht an einer öffentlichen oder privaten schulgeldfreien Schule möglich ist oder eine solche geeignete Einrichtung nicht in zumutbarer Weise erreichbar ist. Diese Kosten sind auch neben dem Pauschbetrag absetzbar.

Insbesondere wenn der Pauschbetrag auf Angehörige eines Autisten übertragen wurde, können von diesen Angehörigen Fahrtkosten wie vom Autisten selbst geltend gemacht werden, wenn die Fahrten "behinderungsbedingt und unvermeidbar" waren, jedoch nur, wenn der Autist mitgefahren ist oder die Fahrt im Interesse des Autisten vorgenommen wurde.

Wer einen gemäß §33b,6 EStG "hilflosen" Autisten (einfachster Nachweis: Merkzeichen H) ohne Entgelt oder Aufwandsentschädigung - es sei denn solche zur Verfügung gestellten Mittel werden wieder zur unmittelbaren Sicherung der "Pflege" verwendet - zumindest teilweise persönlich in Bereichen unterstützt, die als Bereiche der Pflege definiert werden, kann die ihm entstehenden außergewöhnlichen Belastungen im oben beschriebenen Sinne einzeln direkt absetzen oder auch in Form des Pflegepauschbetrags von 924€ pro Jahr. Erfolgt solche Pflege durch mehrere Personen, wird der Pauschbetrag entsprechend aufgeteilt.